Das Gebäude, welches den Stadtrechnungshof Wien (vormals das Kontrollamt der Stadt Wien) beherbergt, gehörte
ursprünglich der Familie Obentraut.
Maximilian, Ritter von Obentraut, wurde am 12. Okt. 1795 zu Neugedein im Pilsner Kreise
Böhmens als Sohn eines Rittmeisters der k.k.Armee geboren. Frühzeitig
verwaist, wuchs er bei einem Verwandten, dem Pfarrer zu Tachau, auf,
besuchte das Gymnasium Pilsen und die juridische Fakultät der Universität
Wien. 1849 wurde er Kreishauptmann zu Bidschow und noch im gleichen Jahr
Kreispräsident zu Gitschin. Seine Umsicht förderte seinen Aufstieg. 1853
wurde er zum Prager Kreispräsidenten. Seine Verdienste um die
Grundentlastung in Böhmen führten 1854 zur Auszeichnung mit dem
Ritterkreuz des Leopold-Ordens und 1855 zur Erhebung in den Ritterstand.
Von
seinen 7 Kindern waren die bedeutendsten die Söhne Johann Karl und Adolf.
Johann Karl, geboren 11.
Juni
1843, gestorben 2.
Oktober
1911, war von 1889 bis 1896
Generaldirektor für Post- und Telegraphenangelegenheiten.
Adolf,
geboren 16.
Juni
1833 in Prag, gestorben 5.
Juni
1909 in Wien, war
Bezirkshauptmann von Ledetsch und dann von Tetschen, ehe er sich nach 20-jähriger
Dienstzeit nach Wien ins Privatleben zurückzog. Er war von 1877 bis 1885
Reichsratsabgeordneter (Landgemeindebezirk Karlsbad), von 1878 bis 1882 böhmischer
Landtagsabgeordneter und gehörte der deutschen fortschrittlichen Partei
an.
Am
18.
Mai 1873 vermählte sich Adolf zu Tetschen mit der am
6.
Mai 1850 zu
Theresienau geborenen, wohlhabenden Tochter des Fabriksbesitzers Johann Münzberg
und der Elisabeth, geb. Lutz (Wien), Hedwig Münzberg und hatte mit ihr
zwei Töchter, die am 1.
Dezember
1876 zu Wien bzw. am 21.
Juli 1878 zu Hütteldorf
geboren wurden.
Adolf
selbst starb in Hietzing, Neue Weltgasse 18, an Altersschwäche und wurde
am Hietzinger Friedhof beerdigt.
Hedwig
erwarb 1881 aus dem Stadterweiterungsfonds die Liegenschaften Innere Stadt
EZ 685 (Landesgerichtsstr. 10 ident Friedrich Schmidtpl.
3) mit 625
m² á
fl 132 = fl 83.139, EZ 898 (Rathausstr.
9 ident Felderstr.
10 ident
Friedrich Schmidtpl. 9) mit 615
m² á fl 130 = fl 79.124 und EZ 899
(Rathausstr.
11) mit 515
m² á fl 100 = fl 51.668, und errichtete u.a. das
Palais Obentraut, welches nunmehr das Kontrollamt beherbergt.
Der Eigentumsübergang von ihr an die Stadt Wien ist nicht zu eruieren -
das Grundbuch wurde 1927 rekonstruiert, die Urkundensammlung fiel den
Flammen zum Opfer - es konnte jedoch dem LGBl. 153 vom 29.
Dezember
1921, mit dem
ein selbständiges Land Wien gebildet wird (Trennungsgesetz), entnommen
werden, dass damals diese Liegenschaft aus dem gemeinsamen Eigentum mit NÖ in das
alleinige Eigentum Wiens überging, somit der Eigentumsübergang von
Hedwig, Edle von Obentraut, zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt sein musste.
Das
Haus Rathausstraße 9 ident Friedrich Schmidtplatz 8-9 (frühere
Bezeichnung Magistratsstraße) ident Landesgerichtsstraße 10, erstreckt
sich über die Einlagezahlen 685 und 898 der Katastralgemeinde Innere
Stadt und wird deshalb im Bauakt der MA 37 wie auch im Grundbuch jeweils
in zwei etwa gleich großen Teilen ausgewiesen.
Der Teil EZ 685 umfasst
629,42
m², der Teil EZ 898 628,41
m². Das darauf befindliche Gebäude
wurde als Wohnhaus im Jahre 1882 im Auftrag der hochwohlgeborenen Frau
Hedwig, Edle von Obentraut, daher auch die Bezeichnung "Palais
Obentraut", vom Architekten L. Boguslawski geplant und errichtet,
wobei die EZ 685 2 Wohnungen und 6 Geschäftslokale, die EZ 898 1 Wohnung
und 4 Geschäftslokale umfasste.
Im
Jahre 1922 fiel das Gebäude laut Trennungsgesetz an die Gemeinde Wien, um
für kommunale Zwecke genutzt zu werden, und befindet sich seitdem in
deren Eigentum und Besitz. Als einzige Dienstbarkeit ist eingetragen,
eine andere als die dort festgesetzte Art der Verbauung zu unterlassen
sowie insbesondere das Gebäude nicht anders als als Wohnhaus zu
verwenden, dasselbe nicht höher als vier Stockwerke hoch zu bauen, die
Arkaden in der festgesetzten Breite für den öffentlichen Verkehr
freizulassen und den gemeinschaftlichen Hofraum nicht zu verbauen. Diese
Dienstbarkeit wurde zugunsten des Wiener Stadterweiterungsfonds, der
offenbar Verkäufer der Liegenschaft war, gem. § 5 des Kaufvertrages vom
9.
Dezember
1881 mit der Edlen von Obentraut eingeräumt.
Viktor
Holak
1994