Über das Wesen von Kontrolle

Rede von Kontrollamtsdirektor Dr. Peter Satrapa
im Wiener Gemeinderat
am 22. Juni 1999

Kontrollamtsdirektor Dr. Peter Satrapa tritt nach 16 Jahren an der Spitze des Wiener Kontrollamtes in den Ruhestand. Anlässlich seines Abschiedes hielt er eine Rede vor dem Wiener Gemeinderat, welche die "rk-spezial” im Wortlaut bringt.

  [Kontrollamtsdirektor Dr. Peter Satrapa]
Dr. Peter Satrapa
Foto: Votava

Herr Vorsitzender des Gemeinderates,
Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren des Stadtsenates,
Herr Vorsitzender des Kontrollausschusses,
hoher Gemeinderat!

Ich empfinde es wahrhaftig als eine hohe Auszeichnung und als ein Privileg, aus Anlass des Ausscheidens aus dem aktiven Dienst vor dem Plenum des hohen Gemeinderates das Wort ergreifen zu können. Dass die Nachwelt den Mimen keine Kränze flicht, weiß jeder mit der Gedankenwelt Friedrich Schillers Vertraute einiger Maßen genau. Dass sie einem Kontrollamtsdirektor solche flicht, ist für den Betroffenen ebenso beglückend wie überraschend, letzteres insoweit, als er sich bei nüchterner Betrachtungsweise eigentlich sagen muss, dass seine Tätigkeit doch über weite Strecken bei so manchem Zeitgenossen nicht gerade übertriebene Lustgefühle erweckt haben mag. Aber meine Damen und Herren, lassen Sie mich in aller Ernsthaftigkeit Ihnen aus ganzem Herzen für diese großartige und für mich unvergessliche Feierstunde danken, die Sie mir bereitet haben und für die so ehrenvollen Worte, die Sie, Herr Vorsitzender des Kontrollausschusses und alle Redner nach Ihnen in einer für mich unauslöschlichen Weise zum Ausdruck gebracht haben. Sie erfüllen mich mit großer Freude und tiefer Dankbarkeit.

Erlauben Sie mir, und dies ist eine Gewissenspflicht und ein Herzenswunsch, diese Ihre mich wirklich bewegende Anerkennung auch auf meine Mitarbeiter zu beziehen, die 16 Jahre hindurch mit grossem Wissen und Können, mit unglaublichem nimmer müden Fleiss, mit hoher und höchster Motivation und Gefolgschaft und Loyalität mir zur Seite gestanden sind und die in dieser Zeit, ich darf das wohl sagen, wahrhaft Großes, ich würde sogar sagen Exemplarisches geleistet haben.

Bei aller Vorsicht in der Beurteilung des eigenen Hauses, bei aller Zurückhaltung in dieser Beziehung, gestatte ich mir doch die Feststellung, dass das Kon-trollamt in seiner heutigen Verfassung absolut satisfactionsfähig ist und ich der festen Überzeugung bin, dass es in Bezug auf seine Schlagkraft einen Vergleich mit keiner anderen Kontrolleinrichtung in Österreich zu scheuen braucht.

Meine Damen und Herren! Die institutionalisierte Kontrolle, die zu vertreten in Wien das Kontrollamt für den Bereich der Stadt und des Landes berufen ist, sieht sich permanent einer zweifachen Herausforderung gegenüber. Auf der einen Seite gilt es, auf der Höhe des Wissens der Zeit sachlich kompetent, sich mit immer schwierigeren, immer komplexeren Zusammenhängen auseinander zu setzen. Auf der anderen Seite gilt es, einer beträchtlichen Erwartungshaltung von Seiten der Opposition, der Regierung, der Medien, aber auch der Wiener Bevölkerung selbst genüge zu tun.

Ich bin der festen Überzeugung und das war auch das Credo meiner Amtsführung, dass all diese vielfältigen Wünsche nur dann erfüllt werden können, wenn die Kontrolle nicht darauf angelegt ist, sozusagen im schnellen Durchmarsch allen jedes recht zu tun und den billigen vordergründigen und plakativen Applaus damit zu ernten, sondern wenn die Kontrolle sich ausschließlich der Sache verpflichtet fühlt und nach menschlicher Möglichkeit trachtet, mit größter Objektivität, Ausdauer, Zähigkeit, Zielstrebigkeit, und ich möchte beifügen, auch mit Augenmaß zu Werke zu gehen.

Wenn ich Augenmaß sage, meine Damen und Herren, dann meine ich nicht etwa einen fragwürdigen Stil, um nicht zu sagen einen charakterlosen Stil der Apologetik, keineswegs. Ich meine damit, dass man aus der Sicht der Kontrolle an die zu untersuchenden Dinge vernünftige Maßstäbe anlegt. Und auch - und dies scheint mir nicht minder wichtig zu sein - stets dessen eingedenk ist, dass sich die Kontrolle letztlich immer auf Menschen bezieht; auf Menschen, die sie in ihrem Ruf, in ihrem Ansehen, aber auch in ihrem beruflichen Fortkommen nicht selten wesentlich zu berühren in der Lage ist.

Ich sage freimütig, ich halte nichts davon, dass eine Kontrolle in der Attitüde der Besserwisserei glaubt, alles und jedes in der Verwaltung in Zweifel ziehen zu müssen. Das ist genau der Weg, der dazu führt, dass aus durchaus aufgeschlossenen, leistungswilligen und motivierten Mitarbeitern über kurz oder lang lust-lose und frustrierte Pflichterfüller werden, Menschen also, die nichts anderes im Sinn haben, als in allem und jedem durch eine Weisung ihrer Oberen gedeckt zu sein und die sich im Bezug auf ihre Leistung gerade an der unteren Grenze des gerade Gebotenen bewegen. Das kann nicht Sinn der Kontrolle sein, eine solche hielte ich für absolut kontraproduktiv.

Ich habe mir im Zuge meiner Tätigkeit oftmals die Frage vorgelegt, wie es eigentlich zu erklären ist, dass gut ausgebildete, erfahrene Mitarbeiter der Stadt Wien mitunter geradezu desaströse und kapitale Fehlhandlungen zu verantworten haben.

Ich habe nach der Analyse einer Vielzahl von einschlägigen Fällen schließlich eine Antwort darauf gefunden, die zwar etwas abstrakt zu sein scheint, von der ich aber doch glaube, dass sie nicht ganz unrichtig ist. Ich habe nämlich die Ansicht, dass abgesehen von den Fällen der so genannten Schlamperei und eines echten Überfordertseins der letzte Urgrund aller dieser Erscheinungen in dem Umstand gelegen sein dürfte, dass bei vielen, leider allzu vielen, im Laufe der Zeit das Bewusstsein dafür abhanden gekommen oder zumindest sehr verblasst ist, dass die Ressourcen, über die die Verwaltung verfügt, nicht etwa herrenloses Gut sind, über das man bedenkenlos disponieren kann; sondern dass wir allesamt Treuhänder der Wiener Bevölkerung sind, Treuhänder in des Wortes umfassendster und bester Bedeutung.

Ich bin der Ansicht, dass, so notwendig fachbezogene Ausbildungsprogramme sind, es auch wichtig wäre, bei sich bietender Gelegenheit diese ideellen Zusammenhänge den Mitarbeitern nahe zu bringen und ich gebe mich der Hoffnung hin, dass die jetzt beginnende Verwaltungsreform dazu reichlich Gelegenheit bieten wird.

Meine Damen und Herren! Unserem kontrollamtlichen Bemühen, dem Verfassungsauftrag genüge zu tun, wäre bei weitem kein so deutlicher Erfolg beschieden gewesen, wie Sie ihn mir liebenswürdigerweise heute attestiert haben, wenn die entsprechende politische Resonanz auf unsere Tätigkeit gefehlt hätte.

Ich sage sehr offen, es war eines der größten Erfolgserlebnisse in meinem Berufsleben zu erfahren, wie groß das Interesse Ihrerseits ist, das Sie unserer Tätigkeit entgegenbringen und wie groß und vielfältig auch der Anstoss gewesen ist, der zu sehr profunden, intensiven und, ich glaube, der Sache absolut dienenden Erörterungen im Kontrollausschuss und hier im Plenum des Gemeinderates geführt hat.

Lassen Sie mich Ihnen, meine Damen und Herren des Wiener Gemeinderates, für dieses nachhaltige Interesse, das Sie an unserer Tätigkeit zum Ausdruck gebracht haben, aber auch für Ihre wiederholte Wortmeldung für die Anliegen und Sorgen der Kontrolle in Wien, von ganzem Herzen danken.

Es drängt mich in dieser Stunde aber auch, dem Herrn Bürgermeister und den Entscheidungsträgern auf Regierungsebene aufrichtig zu danken und zwar dafür, dass Sie sich mit unseren Prüfungsberichten in einer so sachlichen, konstruktiven und fairen Weise auseinander gesetzt haben. Ich sage das deswegen, weil ich mir durchaus vorstellen kann, dass viele dieser Berichte beim Adressaten keineswegs sehr angenehme Empfindungen ausgelöst haben mögen; die Versuchung immerhin bestanden haben mochte, aus der sicheren Position der Politik, wenn ich das so sagen darf, das bekanntlich auf beamteter Ebene angesiedelte Kontrollamt etwa in Frage zu stellen oder vielleicht mit einer etwas subtileren Methode durch Verweigerung entsprechend qualifizierten und ausreichenden Personals im Laufe der Zeit aus dem Kontrollamt einen ziemlichen zahnlosen und bemitleidenswerten Papiertiger zu machen. Dass das Gegenteil der Fall war, will ich heute gerne und mit Respekt und Dank gegenüber den handelnden Personen, die auf politischer Ebene meine Gesprächspartner und Kontrahenten waren, hier in aller Aufrichtigkeit bekennen.

Hoher Gemeinderat! Wenn man nach vielen Jahrzehnten der beruflichen Tätigkeit sich anschickt, aus gesundheitlichen Gründen in meinem Fall in den Ruhestand zu treten, dann pflegt man als selbstkritischer Mensch, und als solcher darf ich mich einstufen, in einer besinnlichen Stunde Bilanz zu ziehen über sein Berufsleben.

Nur so viel zu meiner Bilanz: Das höchste Aktivum, das ich verbucht habe, ist das beglückende Faktum, dass es mir gegönnt war, durch mehr als eineinhalb Jahrzehnte hindurch, getragen von Ihrem großen Vertrauen, für das ich mich noch einmal und ergebenst hier und in aller Form bedanken möchte, die Fähigkeiten, die Gott mir gegeben hat, für eine große Aufgabe im Dienst meiner großartigen, unvergleichlichen Vaterstadt Wien eingesetzt zu haben. Ich danke Ihnen.